Zeitersparnis und Bequemlichkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung für die Menschen. Vor allem beim Lebensmitteleinkauf gilt die Devise der „kurzen Wege“. Mehr als die Hälfte aller Einkäufe erledigen wir inzwischen in maximal fünf Minuten Entfernung zum eigenen Wohnort. Mit rund 340 Filialen pro eine Million Einwohner ist die Filialdichte in Deutschland die höchste in Europa. Gute Voraussetzungen für eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs. Denn genau darum wird es künftig gehen: Wie kann die Nahversorgung der Bevölkerung am besten in neue Wohngebiete integriert werden? Wie muss das Warenangebot aussehen, und was heißt das sowohl für die Unternehmen, die für das entsprechende Angebot sorgen müssen, als auch für Projektentwickler und Bauherren, die Quartiere so konzipieren sollten, dass den vielfältigen Ansprüchen Genüge getan wird?
Eine komplexe Aufgabe, die sich am besten gemeinsam lösen lässt. Daher haben sich die Immobilienexperten des Projekt- und Gebietsentwicklers BPD Immobilienentwicklung mit den Einzelhandelsexperten der BBE Handelsberatung zusammengesetzt, um herauszufinden, welche zentralen Entwicklungen die Nahversorgung in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren maßgeblich prägen werden. Als Ergebnis wurden folgende Strömungen identifiziert, die Einfluss auf die Nahversorgungspräferenzen haben werden:
Dreh- und Angelpunkt der künftigen Stadtentwicklung ist der anhaltende Zuzug in die Städte: Zum ersten Mal seit Menschengedenken gibt es in den Städten mehr Bewohner als auf dem Land – eine weltweite Entwicklung, die dazu führen wird, dass in weniger als 30 Jahren fast 70 Prozent aller Menschen in städtischem Umfeld leben werden. Mit dieser Entwicklung gehen technologische und kommunikationstechnische Neuerungen einher, die es uns erlauben werden, Wohnen und Arbeiten noch viel stärker geografisch miteinander zu kombinieren. Das wird zum einen die historische Rolle der Städte als Orte des Handels stützen, zum anderen aber auch dazu führen, dass Nahversorgungskonzepte stärker auf lokale Bedürfnisse und Anforderungen zugeschnitten werden müssen und somit zu einer stärkeren Differenzierung einzelner Quartiere führen werden. Beispielsweise unterscheiden sich die Bedürfnisse junger Berufseinsteiger gegenüber denen von jungen Familien oder fitten Rentnern, wodurch sich die Nahversorgungspräferenzen stark unterscheiden können. Daher wird es künftig schon bei der Planung neuer Wohngebiete enorm wichtig sein, die Nahversorgungskonzepte der Zukunft rechtzeitig einzubeziehen, sind BPD- und BBE-Experten sicher.
Wohnentwickler, Logistiker und Verkehrsplaner sind gefordert, Lösungsansätze für die veränderten Bedürfnisse zu finden. Dabei lohnt ein Blick auf internationale Konzepte, die andernorts schon praktiziert werden – etwa kassenlose Convenience Stores oder integrierte Logistikflächen in stationären Märkten für den Online-Einkauf aus der näheren Umgebung bis hin zu mobilen Lebensmittelmärkten und selbstfahrenden Lieferfahrzeugen, die nicht länger Fiktion sein werden. Das 2017 gegründete US-amerikanische Technologieunternehmen „robomart“ gibt seinen Kunden beispielsweise ein Versprechen: Willst du nicht zum Supermarkt, dann kommt der Supermarkt eben zu dir. Möglich werden soll das durch den Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge, die ähnlich wie eine Frischetheke im Supermarkt mit Obst, Gemüse und Frischeprodukten ausgestattet sind. Ein integriertes Kühlsystem soll sicherstellen, dass die Produkte möglichst lange frisch bleiben. Nach ausgiebiger Testphase soll der Robomart demnächst auf der Straße zum Einsatz kommen, indem die Fahrzeuge an lokale Lebensmittelhändler verleast werden.
Unsere Art einzukaufen verändert sich enorm, wie wir das auch schon während der Corona-Pandemie erleben. Online- und Offline-Welten sind mittlerweile auf nie dagewesene Art und Weise miteinander verschmolzen. Self-Check-out, Mobile-Payment, Just-in-time-Lieferung und andere digitale Dienstleistungen gehören längst zum Alltag. Und die vielfältigen Möglichkeiten, sich jederzeit und überall online und offline versorgen zu können, führen dazu, dass die Nahversorgung zunehmend spontaner und häufiger stattfindet.
Dabei prägt aber auch der Wunsch nach individuellen Entscheidungsmöglichkeiten und nachhaltiger Lebensweise das Konsumverhalten der Bevölkerung. Es gilt: „Qualität vor Quantität“. Persönliche Beratung, Serviceleistungen und das Vertrauen zum Händler sind mittlerweile wichtiger denn je. Und viele Kunden sind bereit, dafür auch mehr Geld auszugeben. Das ist eine Chance für kleine lokale Händler, die es ermöglichen, Einkäufe im direkten Wohnumfeld zu Fuß oder per Fahrrad zu erledigen. Auch das gehört zum Gesamtkonzept künftiger Nahversorgung, die genauso in die Planung eines Wohnquartiers gehört wie der Bolzplatz oder die Grünanlage.
Zur Studie: Zukunftszenarien für die Nahversorgung in neuen Wohngebieten